Im Digitalzeitalter wirkt Papier manchmal schon beinahe antiquiert. In den vergangenen Jahren sank der Bedarf stetig. Doch plötzlich ist Papier begehrt – und das Angebot knapp. Seit Monaten gehören steigende Preise für Papier sowie Ungewissheit über Liefermengen und -termine zu den Problemen in der Druck- und Medienwirtschaft. In manchen Betrieben sorgen die Engpässe auf den Papiermärkten bereits für Produktionsbehinderungen. Das trifft die Eßlinger Zeitung noch nicht. Der Technische Leiter Ralf Wahlmeyer sagt: „Auch wir sind von Mengenkürzungen und Preiserhöhungen der Lieferanten betroffen. Bis dato können noch alle Druckjobs ohne Einschränkungen in vollem Umfang bearbeitet werden.“
Der Preisanstieg liegt zum einen an höheren Kosten für Energie und Transport. So sind laut dem Verband der Papierindustrie allgemein sinkende Frachtkapazitäten (-26,9 Prozent von Juli 2020 bis Juli 2021) ebenso verantwortlich wie ein massiver Anstieg von Logistikkosten (+21,1 Prozent von Juli 2020 bis Juli 2021). Zusätzlich hat die Coronakrise den Strukturwandel nochmals verschärft: Viele Hersteller haben in den vergangenen Jahren Werke geschlossen. Nun stellen viele ihre Produktion auf Kartons um, die wegen des boomenden Online-Handels gefragt sind.
Laut Zahlen des Papierindustrie-Verbandes sank die Produktionsmenge grafischer Papiere in Deutschland im vergangenen Jahr um 15 Prozent auf 6 Millionen Tonnen. 2019 hatte das Minus bei 8 Prozent gelegen. Das Gesamtminus im vergangenen Jahrzehnt lag bei 40 Prozent. Europaweit ist die Entwicklung ähnlich.
Gerade für Zeitungspapier mangelt es außerdem an Ressourcen: Es wird komplett aus Altpapier hergestellt – und das ist knapp. In der Coronakrise schalteten Wirtschaftsunternehmen nicht so viele Zeitungsanzeigen, die Zeitungsumfänge reduzierten sich. Auch Werbeprospekte wurden storniert. „Entsprechend weniger Altpapier fiel an“, sagt Gregor Andreas Geiger, Sprecher des Verbands der Papierindustrie. Die Kreisläufe kamen durch Covid-19 also durcheinander. Von einem Preisanstieg bei Altpapier von mehr als 70 Prozent seit Jahresbeginn spricht denn auch Fastmarkets Foex, ein Unternehmen, das Indizes für den Papiermarkt erstellt. Grob gesagt kann Altpapier zehnmal wiederverwertet werden, bevor es nicht mehr zu gebrauchen ist.
Neben Altpapier fehlt Herstellern eine weitere wichtige Ressource: Zellstoff, der außerhalb Europas produziert wird. Aufgrund des stockenden Seehandels wird Zellstoff nur verzögert geliefert.
Der Bundesverband Digitalpublisher und Zeitungsverleger (BDZV) berichtet von einem „erheblichen Preisdruck“ bei Pressepapieren. Die Nachfrage übersteige die Menge des produzierten Papiers. Nicht alle Käufer erhielten die vereinbarten Mengen, oder es würden Aufschläge verlangt. Die drohende Unterversorgung sei höchst problematisch. „Wir rechnen damit, dass eine erhebliche Kostensteigerung bei den Rohstoffen sich längerfristig auch im Papierpreis niederschlagen wird.“
Gregor Andreas Geiger vom Papierindustrie-Verband sagt: „Die Produktionskapazitäten für grafisches Papier sind weg. Die kommen wohl nicht zurück.“ Der Strukturwandel werde sich fortsetzen. Allerdings würden sich Angebot und Nachfrage wohl in absehbarer Zeit wieder einpendeln.
Quelle: dpa